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06.07.2007

"Bio ist nicht gleich Bio"

Saskia Dellwing über den Wert von Lebensmitteln, Gentechnik im Havelland und Energiesparlampen

Umweltgerecht leben, was heißt das eigentlich? Auf diese Frage wird die MAZ in den nächsten Wochen Antworten suchen. Beiträge dazu werden immer mit dem Logo "Natürlich Havelland" kombiniert sein. Das Themenspektrum ist dabei breit, es reicht von Biolandwirtschaft über die Nutzung alternativer Energien bis hin zum Lebensstil, den der einzelne pflegt. Zum Auftakt der Serie stand Saskia Dellwing, Sprecherin von Bioland Berlin-Brandenburg, den MAZ-Mitarbeitern Anke Fiebranz und David C. Lerch Rede und Antwort. Im Gespräch ging es auch um Gentechnik im Havelland. Bioland ist mit 4500 Biobauern und 706 Lebensmittelherstellern der bundesweit größte ökologische Anbauverband. Bioland-Betriebe produzieren nachhaltig, sie praktizieren die Kreislaufwirtschaft und verzichten auf synthetische Pesitzide und leichtlösliche Stickstoffdünger.

 


Mit was für einem Frühstück startet eigentlich eine Bioland-Fachfrau in den Tag?

Dellwing: Also, ich esse kein Körnerfrühstück. Aber ich wähle ausschließlich Lebensmittel in ökologischer Qualität. Insofern ist es schon Bio. Im übrigen besteht mein Frühstück ganz normal aus Brot, Marmelade, Käse.

Lebt eigentlich nur der umweltgerecht, der zu 100 Prozent Bioprodukte kauft und sich in jeder Beziehung ökologisch korrekt verhält? Muss man also ganz streng mit sich sein?

Dellwing: Ganz wichtig finde ich das Drüber-Nachdenken. Dass man sich bewusst macht, was man kauft oder isst, sich vielleicht mit der Art der Erzeugung befasst und sagt, okay das will ich unterstützen. Ich finde nicht, dass das mit Strenge gegen sich selbst zu tun hat, sondern eher damit, welche Wertigkeit man Dingen zuschreibt. Für mich persönlich haben Lebensmittel eine hohe Wertigkeit. Ich will sie in guter Qualität zu mir nehmen. Deshalb gönne ich mir Bioprodukte. In diesem Sinne gesehen, ist das nicht streng, sondern hat damit zu tun, ob man seinen eigenen Ansprüchen folgt.

Ist die Ernährung mit biologischen Produkten eine Frage des Geldbeutels?

Dellwing: Wie gesagt, das ist eine Frage der Wertigkeit. Ich führe kein Haushaltsbuch, aber ich weiß, dass ich einen großen Teil meines Geldes für Ernährung ausgebe. Aber dafür habe ich kein Auto und zahle wohl auch nicht so viel für Reisen wie andere Leute. Obwohl ich auch gern in den Urlaub fahre.

Ist Bio immer teurer als herkömmlich produzierte Lebensmittel?

Dellwing: Biolebensmittel müssen sogar teurer sein. Es ist nicht so, dass man irgendeinen Lifestyle mitbezahlt. In biologischer Herstellung steckt mehr Aufwand und mehr Arbeitskraft. Es geht nicht um eine Marke, die zu bezahlen ist, sondern um die besondere Art der Herstellung.

Man hat den Eindruck, der Ökoboom betrifft in erster Linie Berlin. Spricht diese Lebensweise die Brandenburger und damit auch die Havelländer weniger an?

Dellwing: Grundsätzlich ist die Nachfrage nach biologischen Produkten in Städten höher als in ländlichen Regionen. Dort werden frische Lebensmittel oft in Hofläden verkauft. Und außerdem haben die Menschen auf dem Land oft selbst einen Garten, sie bauen also ihre Tomaten oder ihr Obst selbst an.

Welche Betriebe im Havelland tragen Ihr Bioland-Zeichen?

Dellwing: Das ist der Jugendhof Brandenburg bei Nauen, die Bäckerei Bio-Backhaus in Falkensee, die ja auch eine eigene Verkaufsstelle hat und der Biolandhof Mack in Kuhhorst an der Grenze zu Ostprignitz-Ruppin.

Wie liegt das Havelland im Vergleich zu anderen Regionen in Brandenburg?

Dellwing: Das ist ganz unterschiedlich gestreut. Wir haben Brandenburg in unserem Verband in fünf Regionalgruppen eingeteilt. In der Uckermark oder in Märkisch-Oderland gibt es schon mehr biologische Betriebe als etwa im Havelland.

Im Havelland machen dafür seit Wochen geplante Versuche mit gentechnisch veränderten Maispflanzen Schlagzeilen. In Ribbeck gibt es sogar schon eine genehmigte Versuchsfläche. Aber die meisten Menschen, die unmittelbar dort wohnen, scheint das gar nicht aufzuregen...

Dellwing: Im Grunde ist das immer so, wenn die Menschen nicht ausreichend informiert sind. Wenn die Leute mehr wissen, fühlen sie sich stärker betroffen und auch eher in der Lage, ihre Meinung zu sagen. Es ist nicht nur im Havelland, sondern auch woanders so, dass gerade Zugegezogene, die sich bewusst für das Landleben und dessen Qualität entschieden haben, stärker bereit sind, sich zu artikulieren. Kritik lässt sich natürlich leichter üben, wenn man von außen kommt. Menschen, die seit langem in einer funktionierenden Dorfgemeinschaft leben, wollen sich nicht auf einmal mit dem Nachbarn anlegen. Bis zu einem gewissen Grad kann ich das sogar verstehen. Aber dennoch finde ich es ganz wichtig, sich zum Thema Gentechnik zu positionieren, es birgt so viele Risiken für die Landwirtschaft und auch für die Verbraucher.

Im Frühjahr gab es ja in Kuhhorst die von Bioland unterstützte Aktion, Süßmais anzupflanzen. Kann man denn mit diesem Bantam-Mais wirklich etwas gegen Genmais ausrichten?

Dellwing: Ich finde die Bantam-Mais-Aktion sehr schön, weil die Leute selbst pflanzen und diese Pflanzen auch hegen und pflegen. Es geht dabei um die Saatgutreinheit. Wer selbst Pflanzen zur Saatgutvermehrung anbaut, hat das Recht auf Schutz seiner Kultur und kann daher von den Behörden personengebundene Daten erhalten, erfährt also auch, wer in der Nachbarschaft Genmais anbaut.

Was kann man aktuell tun, wenn man seinen Protest gegenüber der Grünen Gentechnik ausdrücken will?

Dellwing: Im Sommer gibt es vom 20. bis 29. Juli die Friedensritt-Radtour gegen Genfelder in Brandenburg. Reiter und Radler werden durch Märkisch Oderland ziehen. Zu den Organisatoren gehören die Friedensreiter und das Aktionsbündnis für ein gentechnikfreie Landwirtschaft Berlin-Brandenburg, dem auch Bioland angehört. Ich will selbst auf einigen Etappen dabei sein.

Zurück zu Ökoprodukten. Seit etwa zwei Jahren findet man die mit EU-Biosiegel auch im Havelland im Sortiment von Supermärkten und Discountern. Stört Sie das als Vertreterin eines Anbauverbandes, der sehr strenge Kriterien hat?

Dellwing: Das ist keine Konkurrenz für uns. Insgesamt finden wir es positiv, wenn mehr Menschen die Möglichkeit haben, Bioprodukte zu kaufen. Durch die Supermärkte kommen die Produkte dort zu den Verbrauchern, wo sie sowieso einkaufen gehen. Unsere Erfahrung ist, dass Kunden sehr wohl unterscheiden können, dass Bio nicht gleich Bio ist und dass es Unterschiede in der Qualität zwischen unseren Produkten und denen in Supermärkten gibt.

Kann sich auch der Hartz-IV-Betroffene im Havelland ökologisch erzeugte Lebensmittel leisten?

Dellwing: Wenn jemand Arbeitslosengeld II bezieht, ist er natürlich an vielen Ecken eingeschränkt. Auch in den Discountern sind Bio-Produkte teuerer als konventionell erzeugte. Grundsätzlich kann jeder entscheiden, wofür er sein Geld ausgibt. Ich würde mir wünschen, dass auch Hartz-IV-Betroffene Bio kaufen, aber letztlich kann ich das nicht beurteilen.

Gibt es in der Bevölkerung ein gewachsenes Bewusstsein für umweltgerechtes Leben?

Dellwing: Ich denke schon. Da hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Das hat eine Weile gedauert, weil an den Grundfesten der Lebensweisen gerüttelt wird. Aber ich denke, es hat etwa durch die Klimadebatte einen starken Imagewandel gegeben, weil Umweltschutz nun ein Thema unseres Alltags ist und nicht nur von wenigen Leuten wahrgenommen wird. Das ist mehr als ein Trend.

Wie leben Sie im Alltag umweltbewusst?

Dellwing: Ich nutze Ökostrom, fahre viel mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln und ich bade sehr selten zu Hause in der Wanne. Wenn ich Kleider kaufe, schaue ich schon darauf, wo die Sachen hergestellt wurden. Im Zweifel nehme ich dann eher die Hose, die in Europa hergestellt wurde, oder ich kaufe die Schuhe aus Zehdenick.

Wo können auch Sie sich noch verbessern?

Dellwing: An das Licht von Energiesparlampen muss ich mich noch gewöhnen.